Interview mit Vera Scholz, GIZ

Klima und Migration – Risiken mindern, den Neuanfang unterstützen

Vera Scholz

Der Klimawandel gefährdet die Lebensgrundlagen vieler Menschen weltweit. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH unterstützt sie dabei, mit den Folgen umzugehen – oder sich anderswo eine Zukunft aufzubauen. Vera Scholz erläutert, was die Besonderheiten klimabedingter Migration sind und welche Herausforderungen es gibt.

Viele Menschen, die wegen des Klimawandels ihr Heimatland verlassen, leben in einer rechtlichen Grauzone…

Genau, sie haben keinen anerkannten Flüchtlingsstatus – das kritisieren vor allem besonders betroffene Länder wie Tuvalu oder Fidschi. Deshalb sprechen wir im Zusammenhang mit dem Klimawandel nicht von Flucht, sondern von Migration oder Vertreibung. Tatsache ist, es gibt einen Zusammenhang zwischen Klimawandel und Migration. Menschen verlassen ihre Heimat, weil Wetterextreme wie Überschwemmungen, Wirbelstürme oder Dürren zunehmen und sie ihre Lebensgrundlage verlieren. Aber: das sich verändernde Klima ist meist nur einer von mehreren Gründen für die Migration und selten der Ausschlaggebende. Oft kommen viele Faktoren zusammen – etwa Armut, eine schlechte Infrastruktur oder natürlich gewaltsame Konflikte…

…deshalb ist es vermutlich auch schwierig, Zahlen zu nennen.

Was die sogenannte klimabedingte Migration betrifft: ja. Beziffern lässt sich aber, wie viele Menschen nach extremen Wetterereignissen Schutz an einem anderen Ort innerhalb ihres eigenen Landes suchen. 2016 waren es weltweit rund 23,5 Millionen. Da klimabedingte Migration meistens innerhalb von Landesgrenzen geschieht, ist das eine recht aussagekräftige Zahl.

Wie kann man die betroffenen Menschen unterstützen?

Zum einen kann man Klimarisiken, also die negativen Auswirkungen des Klimawandels, verringern. Wir unterstützen zum Beispiel Bauern in Äthiopien dabei, Weideflächen trotz Dürre wieder nutzbar zu machen: Neue Dämme sorgen dafür, dass das kostbare und seltene Regenwasser auf den Weiden und in den Flussbetten bleibt. In Vietnam werden Mangrovenwälder aufgeforstet, damit die Reisfelder des Mekong-Deltas besser vor Überschwemmungen und Stürmen geschützt sind. Die Menschen passen sich also an die Gegebenheiten an und haben in ihrer Heimat weiterhin eine Perspektive.

Die lokale oder regionale Anpassung hat aber ja auch Grenzen – das zeigen die kleinen Inselstaaten. Was ist, wenn die Menschen ihre Heimat verlassen müssen?

In Fidschi unterstützen wir im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums und der Europäischen Union die Umsiedlung von gefährdeten Gemeinden. Wir haben dafür gemeinsam mit unseren dortigen Partnern Umsiedlungsrichtlinien entwickelt und eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet – das ist ein Novum. So können die notwendigen Abläufe erfolgreich organisiert und als Basis für zukünftige klimabedingte Umsiedlungen genutzt werden. Bei den einzelnen Schritten werden die betroffenen Menschen – Männer, Frauen und Jugendliche – eng einbezogen. Da geht es zum Beispiel um Wasserversorgung, Weide- und Ackerflächen und natürlich zuallererst die Wahl der neuen Heimat. Doch Migration hört nicht mit der Ankunft am neuen Wohnort auf.

Vor welchen Herausforderungen stehen die Menschen anschließend?

In Bangladesch unterstützen wir Menschen, in der neuen Heimat Fuß zu fassen. Viele sind vom Land in die Städte gezogen. Dort leben sie meist in prekären Verhältnissen, etwa in informellen Siedlungen, und finden keinen Job. Fortbildungen eröffnen ihnen neue Chancen: Fast 1.500 Menschen haben wir beispielsweise darin geschult, Handys oder Motorräder zu reparieren. Außerdem unterstützen wir den Ausbau der Infrastruktur, damit die Menschen etwa Zugang zu sauberem Wasser haben. Kurz: es geht darum, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Insofern muss man Migration auch als Chance für Entwicklung sehen – sie ist eine wichtige Anpassungsstrategie. Deswegen wird sich die GIZ dem Thema „Klimawandel und menschliche Mobilität“ künftig noch intensiver widmen.
 

Vera Scholz arbeitet bei der GIZ im Bereich Sektor- und Globalvorhaben und leitet die Abteilung Klima, Umwelt und Infrastruktur.

November 2017