Interview

„Unser Engagement ist keine Einbahnstraße“

Künstliche Intelligenz kann Entwicklung vorantreiben und neue Jobs schaffen. Dafür muss sie verantwortungsvoll eingesetzt werden, erklärt Bärbel Kofler, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Interview: Friederike Bauer
Eine menschliche Hand und eine Roboterhand berühren sich beinahe, symbolisch für die Interaktion zwischen Mensch und Technologie.

Künstliche Intelligenz (KI) gilt als Schlüsseltechnologie, die unsere Zukunft maßgeblich beeinflussen wird. Was bedeutet diese Entwicklung für die internationale Zusammenarbeit?

Fangen wir mit einem Alltagsbeispiel an: Versuchen Sie mal, mit Siri auf Kinyarwanda, der Landessprache Ruandas, zu kommunizieren. Oder sprechen Sie Google Assistant auf Telugu an, eine der vielen indischen Sprachen. Die KI würde Sie schlicht nicht verstehen. Dabei werden beide Sprachen zusammen von knapp 90 Millionen Menschen gesprochen. Spracherkennung ist ein mächtiges Werkzeug, um Inklusion voranzutreiben und auch Menschen zu erreichen, die nicht schreiben können oder keine der vorherrschenden Sprachen beherrschen: KI-Chatbots können helfen, durch das Behördendickicht zu navigieren und lebenswichtige Informationen für alle Menschen verfügbar zu machen.

Künstliche Intelligenz verändert unsere Welt rasant, auch in der internationalen Zusammenarbeit. Wird KI verantwortungsvoll eingesetzt, kann sie zum Beispiel helfen, Schädlinge oder Pflanzenkrankheiten zu erkennen, Stromnetze effizienter zu planen oder Extremwetterlagen frühzeitig zu erkennen. Das Potenzial ist immens. Mit KI lassen sich Fortschritte bei den Nachhaltigkeitszielen schneller erreichen als mit den klassischen Instrumenten.

Gleichzeitig dürfen wir die Risiken nicht ignorieren. Fehlerhafte oder einseitige Algorithmen können soziale Ungleichheiten verschärfen. Und in den falschen Händen erleichtert KI Überwachung oder gezielte Desinformation. Ein Problem ist bislang auch der gewaltige Energieverbrauch aufwendiger KI-Modelle. Das alles versuchen wir mitzudenken. Deshalb setzen wir uns für eine KI ein, die allen zugutekommt und Menschenrechte achtet.

Wie stehen die Partnerländer zu KI?

Auch sie sehen in KI eine große Chance. Die Wirtschaftskommission für Afrika schätzt etwa, dass  KI das afrikanische Bruttoinlandsprodukt bis 2030 um bis zu eineinhalb Billionen US-Dollar erhöhen könnte. Allerdings fehlen Daten, Rechenkapazitäten und Fachkräfte. Damit fehlen auch die Grundvoraussetzungen, um KI sinnvoll entwickeln und nutzen zu können. Derzeit verfügt beispielsweise nur ein kleiner Teil der afrikanischen KI-Expert*innen über den nötigen Zugang zu leistungsfähiger technischer Infrastruktur. Wenn diese aber in den Händen weniger großer Unternehmen in den USA oder China liegt, drohen neue Abhängigkeiten. Wir unterstützen die Partner deshalb dabei, ihr eigenes Potenzial zu erschließen.

Was braucht es, damit KI in der internationalen Zusammenarbeit kein Schlagwort bleibt, sondern tatsächlich spürbare Wirkung entfaltet?

Dafür müssen wir Lösungen sehr nah am Bedarf der Menschen entwickeln. Da setzen wir an und mit der globalen Initiative „FAIR Forward – Künstliche Intelligenz für alle“ auch ganz konkrete Maßnahmen um.

In Kenia haben wir beispielsweise einen Chatbot entwickelt, der Fragen auf Swahili oder Sheng, einer Mischung aus Englisch und Swahili, beantwortet. Erste Anwendung findet er auf einer Bürgerplattform. Dort liefert er zum Beispiel Informationen rund um die Unternehmensgründung: Was muss ich machen? Welche Behörde muss ich kontaktieren? Der Chatbot ist dabei als digitales öffentliches Gut angelegt. Sein Programmcode ist frei verfügbar. Auch Unternehmen können den Chatbot also nutzen, um eigene Lösungen und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Das genau meinen wir, wenn wir von „wirtschaftlichem Potenzial“ sprechen: Am Ende sollen Start-ups oder Unternehmen entstehen – und neue, zukunftsträchtige Jobs.

Ein besonderer Vorteil dieser offenen und für alle zugänglichen digitalen Ansätze liegt darin, dass sie sich leicht übertragen lassen. Sie können mit geringem Aufwand angepasst werden. Das macht Investitionen besonders wirkungsvoll.

Porträt einer lächelnden älteren Frau mit dunklem, schulterlangem Haar und schwarzem Oberteil vor knallrotem Hintergrund.
Bärbel Kofler

„Wir haben mit der ‚Hamburger Erklärung für verantwortungsvolle KI für die nachhaltigen Entwicklungsziele‘ ein starkes Signal gesetzt.“

Bärbel Kofler

Sie hatten eingangs die Schattenseiten der KI erwähnt: Sie kann auch missbraucht werden. Aus unserer Sicht ist das ein besonders heikler Punkt …

Richtig, gerade mit der internationalen Zusammenarbeit wollen wir keinen unbeabsichtigten Schaden anrichten. KI soll dem Wohl der Menschen dienen. Die Herausforderung besteht darin, dass die Politik der Technologie immer hinterherhinkt, gerade bei KI.

Deshalb haben wir ein starkes Signal gesetzt, gemeinsam mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, UNDP, sowie zahlreichen internationalen Partnern: die „Hamburger Erklärung für verantwortungsvolle KI für die nachhaltigen Entwicklungsziele“ vom vergangenen Juni. Sie ist weltweit die erste Erklärung, die konkrete Empfehlungen enthält, wie KI zum Nutzen aller Menschen beitragen kann.

Datenschutzgesetze, Regulierungsvorgaben oder nationale Strategien zu KI stehen in vielen unserer Partnerländer erst am Anfang. Nur wenige, etwa Kenia, Ruanda, Ghana oder Indien, verfügen über umfassende nationale Rahmenwerke zur Nutzung von KI. Da wollen wir weiter unterstützen, damit KI vor allem Chancen bietet – und die Risiken beherrschbar werden.

„Aus der KI-Zusammenarbeit entstehen wertvolle Anknüpfungspunkte für Unternehmen und Forschungseinrichtungen in Deutschland.“

Bärbel Kofler

Welchen Nutzen zieht Deutschland selbst aus seinem Engagement für KI in der internationalen Zusammenarbeit, insbesondere für die Wirtschaft?

Unser Engagement ist keine Einbahnstraße. Wenn Deutschland gemeinsam mit Partnerländern an verantwortungsvollen KI-Lösungen arbeitet, stärkt das zugleich die eigene Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit. Aus der Zusammenarbeit entstehen weitere wertvolle Anknüpfungspunkte für Unternehmen und Forschungseinrichtungen in Deutschland: Sie erhalten Zugang zu neuen Märkten und Innovationsnetzwerken. Dort treffen sie auf ein Umfeld, in dem verantwortungsvolle Standards aufgrund unseres Engagements bereits Praxis sind.

Gleichzeitig fließen Erfahrungen aus Projekten in der Landwirtschaft, zu Mobilität oder aus der Energieversorgung nach Deutschland zurück. Schließlich stehen unsere Partnerländer zum Teil vor ähnlichen Herausforderungen wie wir. Lösungen, die sich beispielsweise in Afrika oder Asien bewährt haben, können auch hier eingesetzt oder weiterentwickelt werden.

Mit unserer Arbeit als BMZ im Bereich KI nehmen wir nicht nur globale Verantwortung wahr. Das ist zugleich eine Investition in die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Deswegen lade ich deutsche Unternehmen ein: Gehen Sie diesen Weg mit uns, es lohnt sich!

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