Fit für den Arbeitsmarkt – vor Ort und in Deutschland
Damit sowohl die wirtschaftliche Förderung vor Ort als auch eine faire Fachkräftemigration nach Deutschland gelingen, braucht es starke Partnerschaften – mit Unternehmen und der Politik, vor Ort und in Deutschland. In Senegal ziehen dafür mehrere Projekte an einem Strang.
Als Djélia Diagne vom Mentoringprogramm für Frauen im Bausektor erfuhr, stand ihr Entschluss schnell fest: Die Bauingenieurin aus Senegal wollte unbedingt dabei sein. „Es gibt noch viel zu tun, um Gendergerechtigkeit in diesem Wirtschaftssektor zu erreichen“, sagt die 33-Jährige. Deshalb war sie begeistert vom Angebot der GIZ, im Rahmen des Vorhabens Build4Skills andere Frauen in der traditionell männerdominierten Branche als Mentorin zu begleiten. Sie profitierte auch selbst davon: „Das Mentoringprogramm hat mir geholfen, meine Beziehungen zu männlichen Kollegen besser zu gestalten.“ Die Bauingenieurin fühlt sich bestärkt in ihrem Wunsch, „erfolgreich zu sein und verantwortungsvolle Positionen zu übernehmen“.
Motivierte und qualifizierte Fachkräfte wie Djélia Diagne kann nicht nur Senegal, sondern auch Deutschland gut gebrauchen, denn sie sichern Innovation, Beschäftigung und Wohlstand. Durch die aktuellen demografischen Entwicklungen in Deutschland ist der Fachkräftemangel eine der großen Herausforderungen des kommenden Jahrzehnts. Besonders betroffen sind Berufe im Gesundheitssektor, der Lehre und Erziehung, der Produktion und in der Baubranche. Der Bedarf ist so groß, dass er sich nicht nur mit nationalen Initiativen decken lässt. Motivierte Menschen aus dem Ausland, wie Djélia Diagne, sind ein Gewinn für deutsche Unternehmen.
Wachstumsland Senegal
Mit einem Durchschnittsalter von 19 Jahren ist Afrika der „jüngste“ Kontinent. Um mit der demografischen Entwicklung Schritt zu halten und Innovationen voranzubringen, investieren Länder wie Senegal in bessere Bildungs- und Ausbildungssysteme. Senegal gehört zu den wachstumsstärksten Staaten Afrikas. Politische Stabilität und eine entwicklungsorientierte Reformpolitik geben der Wirtschaft Schub.
Qualifizierte Fachkräfte sind dabei eine wichtige Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und Investitionen.
Praktische Erfahrung am Bau mit Build4Skills
Senegal ist ein wachstumsstarkes Land. Doch von den rund 300.000 jungen Menschen, die jedes Jahr auf den senegalesischen Arbeitsmarkt streben, haben nur wenige eine Ausbildung, die zur Nachfrage der Privatwirtschaft passt. Den Absolvent*innen von Berufsbildungseinrichtungen oder Hochschulen fehlen oft praktische Fähigkeiten, junge Leute aus dem informellen Sektor haben wiederum kaum theoretisches Wissen.
Die globale Initiative Build4Skills, die von der GIZ und der EU zusammen mit Partnern umgesetzt wird, will Ausbildungslücken in der besonders beschäftigungsintensiven Baubranche schließen. In Senegal vermittelt Build4Skills Schul- und Hochschulabsolvent*innen Praktika in Infrastrukturprojekten, die von der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB), der Weltbank und anderen, regionalen Entwicklungsbanken finanziert werden. Ausbilder*innen werden von Build4Skills bezüglich der praktischen Vermittlung theoretischen Wissens sowie bezüglich Arbeitssicherheit und Geschlechtersensibilität geschult und begleiten die Berufseinsteiger*innen während des Praktikums. Frauen am Bau werden zusätzlich von Mentorinnen wie der Bauingenieurin Djélia Diagne betreut und gefördert. Vorbild ist eine Ausbildungskooperation mit der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) in Pakistan und der Mongolei. Seit 2022 wird Build4Skills auf den afrikanischen Kontinent ausgeweitet.
Build4Skills
Auftraggeber
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und Europäische Union
Ort
Kenia, Kolumbien, Mexiko, Mongolei, Pakistan, Senegal, Südafrika
Laufzeit
2021 – 2027
Unterstützung der Berufsbildungsreform/ Initiative „FIT! Senegal“
Auftraggeber
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und Europäische Union
Ort
Senegal
Laufzeit
2024 – 2027
Bessere Chancen mit vergleichbaren Abschlüssen
Senegal hat sich vorgenommen, die Zahl junger Menschen, die eine Berufsausbildung absolvieren, von zehn Prozent im Jahr 2022 auf 30 Prozent im Jahr 2030 zu steigern. Gelingen soll das unter anderem durch die Einführung eines dualen Systems, bei dem – ähnlich wie in Deutschland – die schulische und betriebliche Ausbildung ineinandergreifen.
Die GIZ berät die staatlichen Akteure Senegals bei der Neuausrichtung von Berufsbildungseinrichtungen, von Ausbildungsgängen und bei der Qualifizierung von Ausbilder*innen. Gleichzeitig unterstützen wir dabei, Handelskammern, Arbeitgeber- und Branchenverbände sowie Gewerkschaften stärker in das Ausbildungssystem einzubinden, damit Betriebe zu Ausbildungsstätten werden. Der Vorteil: Die Qualität von Ausbildungen und die Beschäftigungsfähigkeit von jungen Absolvent*innen steigen und Unternehmen finden entsprechend ihrem Bedarf besser qualifiziertes Personal auf dem Arbeitsmarkt.
Berufliche Bildung „made in Germany“ ist weltweit anerkannt. Das duale Konzept überzeugt senegalesische Arbeitgeber*innen: „Die jungen Auszubildenden verbringen dabei mehr Zeit in ihrem Lehrbetrieb als bei der theoretischen Ausbildung. Dadurch lernen sie die Grundlagen ihres Berufs sehr viel schneller“, sagt Elisabeth Preira, Gründerin eines Betriebs für Lebensmittelverarbeitung in der Stadt Ziguinchor. Ihr Auszubildender Abdoulaye Sané war nach der Schule zunächst in die Hauptstadt Dakar gegangen, um zu studieren. Doch es zog ihn in den Süden Senegals zurück. Dort erfuhr er von der Möglichkeit einer dualen Ausbildung und der Praxisbezug überzeugte ihn. „Zudem haben wir hier in der Region viele Früchte und Gemüsesorten zum Verarbeiten“, sagt er mit Blick auf die Zukunftschancen seines Berufs.
Lernen mit Blick auf die Olympischen Jugendspiele
Im Jahr 2026 richtet Senegal als erstes afrikanisches Land die Olympischen Jugendspiele aus. Vor dem Großereignis haben sich senegalesische und europäische Partner zur Initiative „FIT! Senegal“ zusammengeschlossen, um Jugendlichen mehr berufliche Möglichkeiten zu eröffnen. Durch das koordinierte Vorgehen will das Team Europe die Berufsperspektiven für junge Menschen in Senegal insgesamt verbessern.
Viele Vorhaben mit GIZ-Beteiligung bringen sich ein. Sie setzen auf verschiedenen Ebenen an und greifen wie eine Wertschöpfungskette ineinander. So profitieren die Reformer*innen der Berufsbildung von „FIT! Senegal“ von den Strukturen der BMZ-Sonderinitiative (SI) „Gute Beschäftigung für sozial gerechten Wandel“ zur Schaffung von Jobs in mittelständischen Unternehmen und durch Investoren in Afrika. Die SI, die unter der Marke „Invest for Jobs“ auftritt, wird von der GIZ mit umgesetzt und fördert in Senegal die Weiterbildung von Arbeitskräften. Dazu etablieren wir Qualifizierungspartnerschaften mit deutschen Wirtschaftsverbänden, Industrie- und Handelskammern, Hochschulen und anderen Bildungsinstitutionen.
In Diourbel, einem Zentrum der senegalesischen Lederindustrie, wurde gemeinsam daran gearbeitet, Ausbildungsgänge zu standardisieren und Lehrmaterial zu entwickeln. Über „Invest for Jobs“ wurde zusätzlich eine Weiterbildungspartnerschaft zwischen der senegalesischen Lederakademie Maraz und dem Lederinstitut ISC Germany im rheinland-pfälzischen Pirmasens geknüpft.
Das Team von „Invest for Jobs“ verfügt über ein eng geknüpftes Kontaktnetz in die senegalesische Wirtschaft und fungiert als Türöffner für andere Vorhaben. So sind viele Unternehmen aus dem Netzwerk von „Invest for Jobs“ inzwischen Ausbildungsbetriebe innerhalb des dualen Systems.
Ein Team, mehr Wirkung
Die Initiative „FIT! Senegal“ ist ein Beispiel für die verstärkte europäische Koordination internationaler Zusammenarbeit von EU-Mitgliedsstaaten. Als Team Europe treten die Europäische Kommission, EU-Mitgliedsstaaten und -Finanzinstitutionen gemeinsam auf und stimmen Vorhaben ab, um möglichst große Wirkung zu erzielen.
Arbeitnehmer*innen konnten ihre Arbeits- und Einkommensbedingungen durch „Invest for Jobs“ verbessern.
3 Fragen an Diegane Wane Ly
„Das duale Ausbildungssystem ist ideal.“
Wie wichtig ist die Berufsbildungsreform für Senegal?
Gut ausgebildete Fachkräfte sind die Voraussetzung dafür, dass die Wirtschaft unseres Landes wachsen kann. Doch unser Ausbildungssystem hat Defizite, die wir beheben müssen. Investitionen in die Bildung und Ausbildung junger Menschen gehören daher zu den wichtigsten Punkten unserer nationalen Entwicklungsstrategie bis 2050.
Senegal setzt künftig verstärkt auf das duale System. Welche Vorteile bietet diese Art der Berufsbildung für junge Auszubildende und Unternehmen?
Das duale Ausbildungssystem spielt eine zentrale Rolle bei der Reform unseres Berufsbildungssektors. Im dualen System verbringen die Auszubildenden viel Zeit in den Ausbildungsbetrieben und erwerben so sehr viel schneller die erforderlichen praktischen Fähigkeiten. Sie lernen auch die betrieblichen Abläufe und das Arbeitsleben kennen. Nach dem Abschluss der Ausbildung sind sie direkt einsetzbar. Unternehmen bekommen also eine fertig ausgebildete Fachkraft. Ein Ausbildungsbetrieb hat zudem die Chance, seinen Nachwuchs selbst auszubilden und künftige Arbeitskräfte zu formen. Das ist ideal.
Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit Deutschland und der GIZ?
Die Unterstützung der Berufsbildungsreform durch Deutschland ist sehr wichtig für Senegal. Die konkrete Zusammenarbeit mit der GIZ zahlt sich auf mehreren Ebenen aus. Sie umfasst die strategische Beratung bei der Koordination der Reform sowie die technische Beratung bei der Umsetzung. Besonders hilfreich ist dabei, dass die GIZ das Regierungsprogramm zur Einführung der dualen Ausbildung in einzelnen Landesregionen begleitet und dort mit Ansprechpartnern vertreten ist. So können wir die einzelnen Aktivitäten verzahnen und die Reform landesweit ausrollen.
„Invest for Jobs“ richtet sich mit seinen Angeboten an Investor*innen und eingesessene Betriebe. In Kooperation mit der senegalesischen Gewerkschaft SYNPAN erhalten etwa angelernte Mitarbeitende kleiner Autowerkstätten die Möglichkeit, sich als Mechatroniker*innen zu qualifizieren.
Faire Fachkräftemigration
Mit der wachsenden Zahl gut ausgebildeter Fachkräfte steigen die wirtschaftlichen Entwicklungschancen Senegals und damit die Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen. Doch die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibt eine Herausforderung. Mehr als 30 Prozent der 15- bis 24-Jährigen in Senegal sind weder in Beschäftigung noch in Ausbildung oder besuchen eine Bildungseinrichtung. Vor diesem Hintergrund hat das Land auch ein Interesse daran, die Arbeits- und Ausbildungsmigration in Länder mit Fachkräftemangel zu ermöglichen.
Um faire Bedingungen für die Arbeitsmigration sicherzustellen, ist Senegal seit 2024 Teil des Projekts „Skills Partnerships between Ghana, Senegal and Germany“.
Das Projekt fördert einerseits eine bessere Ausbildung im Herkunftsland. Zugleich steht den Teilnehmer*innen die Möglichkeit offen, ihre Ausbildung in Deutschland fortzusetzen oder dort eine Ausbildung neu zu beginnen. Senegalesische Fachkräfte mit Berufserfahrung erhalten zudem die Chance auf einen direkten Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt. Damit werden gezielt Branchen in Senegal entlastet. Gleichzeitig wirken wir dem Nachwuchs- und Fachkräftemangel in Deutschland entgegen, indem wir deutsche Betriebe mit Personalengpässen mit Bewerber*innen aus Senegal zusammenbringen. Im Fokus stehen kleine und mittlere Unternehmen aus der Baubranche, die offen für erste Erfahrungen mit Nachwuchs und Fachkräften aus dem Ausland sind.
Skills Partnerships between Ghana, Senegal and Germany
Auftraggeber
Europäische Union, kofinanziert von der Bertelsmann Stiftung sowie Arbeitgeber*innen in Deutschland
Ort
Deutschland, Ghana, Senegal
Laufzeit
2023 – 2027
Fachkräfte für Deutschland
Die GIZ steht für eine faire Fachkräftemigration. Wir stellen gute Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmer*innen sicher und achten darauf, dass in den Herkunftsländern kein Arbeitskräftemangel entsteht. Auch die Arbeitgeber*innen in Deutschland profitieren, denn fair vermittelte Fachkräfte fühlen sich respektiert und bleiben länger im Unternehmen. Mehr über die faire Fachkräftevermittlung finden Sie hier.
„Mit der GIZ haben wir einen Partner gefunden, der vor Ort gut vernetzt ist. So können wir eine nachhaltige Lösung für den Mangel an Auszubildenden und Fachkräften entwickeln, die langfristig trägt – mit fairen Kosten für alle Beteiligten.“
Die „Skills Partnerships“ zum Beispiel testen reguläre Wege für eine Ausbildung und Arbeit in Deutschland und zeigen deutschen Betrieben, wie sie von Auszubildenden und Fachkräften aus dem Senegal profitieren können. So entwickelt das Projekt zum Beispiel gemeinsam mit der Initiative „FIT! Senegal“ einen neuen Ausbildungsgang im Straßenbau. Dieser richtet sich einerseits an den Bedürfnissen senegalesischer Baufirmen aus, integriert aber gleichzeitig schon viele Elemente der deutschen Ausbildung, damit den Kandidat*innen der Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt später leichter fällt. Zudem bietet das Projekt den Teilnehmenden Deutschkurse am Goethe-Institut an, bereitet sie interkulturell vor und unterstützt bei der Ausreise, etwa im Visaverfahren. Die ersten 24 senegalesischen Kandidat*innen bereiten sich aktuell auf ihre Ausbildung im Baugewerbe in Nordrhein-Westfalen vor.
Der Arbeitgeberverband Bauverbände NRW war als Partner von Beginn an in die Planung eingebunden. So stellen wir sicher, dass alle Beteiligten von besseren Ausbildungs- oder Berufschancen in Senegal oder in Deutschland profitieren: die jungen Auszubildenden, die Arbeitgeber*innen in Deutschland und das Herkunftsland Senegal, das seinen Arbeitsmarkt entlasten kann.