Ausgangssituation
Guatemala gehört fast zwei Jahrzehnte nach Unterzeichnung der Friedensverträge (1996) immer noch zu den Ländern mit den höchsten Gewaltraten. Seit dem Ende des 36-jährigen Bürgerkrieges wird Gewalt zunehmend von privaten Akteuren wie Drogenkartellen und Jugendbanden ausgeübt.
Bei der Verbesserung der Bürgersicherheit wurden bislang nur bescheidene Fortschritte erzielt; die meisten strukturellen Konfliktursachen bleiben ungelöst. Mangelnde Präsenz und Professionalität der staatlichen Sicherheitsorgane, einhergehend mit der vierthöchsten Mordrate in Mittelamerika, weitgehender Straflosigkeit und zunehmender Selbstjustiz machen Bürgersicherheit und Gewaltprävention zu prominenten innenpolitischen Dauerthemen.
Weiteres Konfliktpotenzial ist durch neue Großprojekte, vor allem Infrastruktur- und Bergbauprojekt oder Wasserkraftwerke, entstanden. Auch im privaten und familiären Bereich ist Gewalt weit verbreitet, die Zahl der Femizide erschreckend hoch.
Ziel
Die Bürgersicherheit ist verbessert: sowohl objektiv als auch in der individuellen Wahrnehmung der Bürger. Soziale Konflikte um Investitionen im ländlichen Raum werden gewaltfrei und partizipativ gelöst.
Vorgehensweise
Die guatemaltekische Regierung hat im „Pakt für Sicherheit, Justiz und Frieden" zwei wesentliche Erfolgsfaktoren benannt: Entwicklung erfolgreicher Strategien zur Gewaltprävention und die Einbeziehung aller Interessengruppen in die Umsetzung der Präventionsmaßnahmen (Inklusion). Das Programm FOSIT unterstützt Strategien und Maßnahmen zur Vorbeugung der Gewalt gegen Kinder, Heranwachsende, Jugendliche und Frauen sowie gegen Gewalt mit Waffen. Es unterstützt Strategien und Maßnahmen auf nationaler Ebene sowie in den Provinzen Alta Verapaz, Baja Verapaz und Quiché.
Das Vorhaben fördert das Innenministerium bei der Planung und Umsetzung von Gewaltpräventionsstrategien sowie bei der Zusammenarbeit mit weiteren staatlichen Institutionen. Bei der Entwicklung und dem Aufbau von Dialogmethoden und -mechanismen werden gleichzeitig zivilgesellschaftliche Akteure wie Nichtregierungsorganisationen und Wirtschaftsverbände unterstützt.
Lokale Netzwerke staatlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure sind ein wichtiger Erfolgsfaktor. Ihre Akzeptanz ist die Voraussetzung für den Aufbau eines Dialogs aller Beteiligten über Bürgersicherheit und die konstruktive Lösung sozialer Konflikte. Systematisch aufgearbeitete Erfahrungen aus der Konfliktbearbeitung und nachahmenswerte Beispiele sind Grundlage für die Zusammenarbeit und die Entwicklung gemeinschaftlicher Gewaltpräventionsstrategien von Staat und Zivilgesellschaft.
Die Zivilgesellschaft sowie Verbände und Interessenvertretungen werden in ihren Anstrengungen, einen integrativen, gesamtgesellschaftlichen Dialog zu führen, unterstützt sowie in ihrer Koordinierung und ihrem Rollenverständnis gestärkt. Gewaltprävention und friedliche Konfliktaustragung werden so zur gemeinsamen Aufgabe aller sozialen und ethnischen Gruppen.
Wirkung
Unterstützt durch die Programme FOSIT und PREVENIR liegt in Guatemala seit Mai 2014 erstmals ein langfristiger nationaler Politikrahmen für Gewaltprävention vor.
Das Bewusstsein, dass alle Gruppen der Gesellschaft an der Überwindung der Gewalt mitarbeiten müssen, wurde gestärkt. Beispiele positiver gemeinsamer Konfliktlösung und Angebote wie objektivierende Begleitung oder Analyse von Konfliktsituationen und ihren Ursachen stoßen auf positive Resonanz bei der Bevölkerung. Auf nationaler wie lokaler Ebene werden konkrete, konzertierte Strategien der Bürgersicherheit und Gewaltprävention umgesetzt und gute Erfahrungen gesammelt.
Beispiele aus der Praxis
Verschiedene Kampagnen zum Thema Gewalt gegen Frauen in Lateinamerika wurden ausgewertet und die Ergebnisse in den Regionen vorgestellt. Daraufhin haben sich Initiativen von Gemeindeverwaltungen und der Zivilgesellschaft, beispielsweise Frauenorganisationen, gegründet, um die Erfahrungen aus anderen Ländern auf die Situation in Guatemala zu übertragen und Aktivitäten mit Unterstützung von FOSIT umzusetzen. Prominentes Beispiel ist die Kampagne „Briefe von Frauen": Berichte von Frauen, die anonym über ihre Gewalterfahrungen in der Familie berichten, werden diskutiert und veröffentlicht, um die Vereinzelung der Opfer zu überwinden und eine gesellschaftliche Diskussion anzustoßen.
13 lokale Gemeinden wurden bisher bei der Gründung von Sicherheitskommissionen und der Entwicklung von Plänen zur Gewaltprävention unterstützt. Auch hier gilt der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen im öffentlichen Raum und in der Familie besondere Aufmerksamkeit.
In Zusammenarbeit mit der Polizeiakademie und zwei Universitäten wurden Fernlehrgänge, Seminare und Diplome entwickelt. Fast 400 Polizisten, Lehrer, öffentliche Angestellte und Akteure zivilgesellschaftlicher Organisationen wurden bisher in Deeskalationstechniken und systematischen Gewaltpräventionsansätzen geschult.
In Pilotprojekten wird Gewaltfreiheit, Mediation und politische Partizipation von Kindern und Jugendlichen gefördert. An zwei Schulzentren wird in Zusammenarbeit mit Eltern und Lehrern ein Curriculum für Gewaltfreiheit erarbeitet, das später in den nationalen Lehrplan eingehen soll.
Um der Konflikteskalation um Großprojekte vorzubeugen, unterstützt FOSIT den Aufbau eines nationalen Dialogsystems. Die beteiligten Institutionen, wie die präsidiale Menschenrechtskommission, das Sekretariat für Agrarangelegenheiten und das Energie- und Bergbauministerium koordinierten ihre Arbeit bislang wenig. Im Oktober 2014 fand das erste nationale Treffen mit rund 140 staatlichen Funktionären statt. Die teilnehmenden Institutionen tauschten sich über nachahmenswerte Praktiken in der Konfliktbearbeitung aus und erarbeiteten Vorschläge für eine bessere Zusammenarbeit untereinander.
Sicherheitskommissionen und Netzwerke zum Konfliktmanagement werden auf lokaler Ebene von Entwicklungshelfern beraten. So werden in gemeinsamen Seminaren Konfliktbeteiligte und ihre Interessenvertreter in friedlichen Kommunikationstechniken und Kompromissfindungsstrategien geschult.
Der Nationale Verband zur Förderung sozialer Verantwortung bei Unternehmen (CENTRARSE) hat mit Unterstützung von FOSIT ein Programm zum nachhaltigen Dialog entwickelt. An den drei Vorstellungen auf Departementebene waren jeweils 100 bis 120 Vertreter aus Staat, Zivilgesellschaft und Privatsektor beteiligt.
Das zentralamerikanische Treffen der Unternehmer (CONVERTIRSE), hatte 2014 in Guatemala, unterstützt von FOSIT, das Thema: Soziale Verantwortung zum Dialog als Strategie der Nachhaltigkeit. Ziel war eine Sensibilisierung der Unternehmen, sich für soziale Dialogprozesse einzusetzen und soziale Verantwortung im Alltag zu übernehmen.