Reportage

Aufbruch der Azubis

Das deutsche Handwerk sucht Fachkräfte und Auszubildende – in Kooperation mit dem Mittelstand bringt die GIZ deutsche Betriebe und motivierte Auszubildende aus ausgewählten Ländern zusammen. In Jordanien hat sich der erste Jahrgang junger Talente auf eine Berufsausbildung in Deutschland vorbereitet.

Text: Rajiv Raman und Brigitte Spitz Fotos: Rajiv Raman
Zwei junge Männer stehen nebeneinander vor einem Informationsplakat zu Visa- und Arbeitsmöglichkeiten in Jordanien.

Mit Humor lernt es sich leichter. Im Deutsch-Jordanischen Zentrum für Arbeitsmobilität steht Landeskunde auf dem Plan – deutsche Landeskunde. Der Lehrer zeigt ein Foto: ein Bayer in Lederhose. Das Oktoberfest lässt grüßen, die Klasse schmunzelt. Die jungen Jordanier*innen greifen die Klischees augenzwinkernd auf – und wissen zugleich: Deutschland ist mehr als Maßkrug und Trachten. Sie haben sich intensiv mit Deutschland beschäftigt. Die jungen Frauen und Männer gehören zum ersten Jahrgang, der sich in Jordanien für eine Berufsausbildung in Deutschland vorbereitet hat.

Einer von ihnen ist Anas Mohammad. Der 29-Jährige hat sich bewusst für eine Ausbildung als Bäcker entschieden. „Ich sehe darin eine Kunst, die Kreativität und Präzision verbindet.“ Dass er damit auch in ein Stück deutscher Identität eintaucht, fasziniert ihn besonders. „Backen ist in Deutschland nicht nur ein Beruf, sondern Teil der Kultur.“

Schon lange begeistert er sich für Land und Leute. „Seit meiner Kindheit interessiere ich mich für die deutsche Sprache und Kultur. Ich habe Podcasts gehört, YouTube-Videos geschaut und Magazine gelesen“, erzählt er. Familie und Freunde unterstützen ihn bei dem Schritt, in Deutschland eine Ausbildung zu beginnen. „Sie sind stolz auf mich, weil sie wissen, wie sehr ich mich für Deutschland interessiere.“

Eine Frau in schwarzem Gewand und ein Mann in braunem T-Shirt posieren gemeinsam vor einer Steinfassade.
Stolz auf den Sohn: Anas Mohammad mit seiner Mutter vor der Abreise nach Deutschland
Eine Frau schneidet mit einem Messer ein großes Stück Kuchen auf einem Tisch in einem Innenraum.

Ähnlich geht es seiner Kollegin Artemis. Die 34-Jährige aus Amman strahlt, wenn sie von ihrer Leidenschaft erzählt. Schon seit Jahren probiert sie Rezepte aus, mischt jordanische Traditionen mit internationalen Einflüssen und entdeckt dabei immer neue Möglichkeiten. Gemeinsam mit anderen motivierten jungen Jordanier*innen wird Artemis in Kürze ihre Ausbildung in Deutschland beginnen. 

Dafür hat sie monatelang Deutsch gebüffelt und so ihre B1-Prüfung absolviert. Das mehrstufige Vorbereitungsprogramm umfasste auch ein berufsvorbereitendes Training bei der größten öffentlichen jordanischen Berufsbildungsinstitution (Vocational Training Corporation, VTC). Außerdem bekamen Artemis und die anderen jungen Jordanier*innen Unterstützung bei Visum und Einreise, und zusammen mit ihren Arbeitgebern wurde auch gleich eine Unterkunft in Deutschland organisiert.

Modell für nachhaltige Fachkräftegewinnung

Während es in Deutschland an ausreichend Nachwuchs in Handwerk und Industrieberufen mangelt, suchen junge Leute aus Jordanien nach beruflichen Qualifikationen. Genau hier setzt PAM (Partnerschaften für entwicklungsorientierte Ausbildungs- und Arbeitsmigration) an – und schafft eine Brücke zwischen deutschen Unternehmen und gut vorbereiteten Bewerber*innen aus Jordanien. Das Programm verbindet internationale Zusammenarbeit mit konkretem Nutzen für die deutsche Wirtschaft.

Die Stärke liegt in der partnerschaftlichen Struktur. In Jordanien arbeitet die GIZ eng mit der staatlichen Berufsbildungsinstitution VTC zusammen, in Deutschland mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), Handwerksorganisationen und beteiligten Unternehmen. So entsteht ein vernetztes System, das sich an der Nachfrage deutscher Unternehmen und deren realen Anforderungen an Auszubildende orientiert – und nicht an theoretischen Modellen, betont Rabeaa al haj Hasan, die in Jordanien PAM für die GIZ verantwortet: „Alles ist so gestaltet, dass der Übergang nach Deutschland möglichst nahtlos gelingt. Wir haben ein System geschaffen, das den Betrieben Sicherheit gibt. Die Auszubildenden sind nicht nur motiviert, sondern auch wirklich bereit, sofort in den Arbeitsalltag einzusteigen.“

Ein weiterer Vorteil: Dank des rund einjährigen Vorbereitungsprogramms bringen die Auszubildenden nicht nur Motivation, sondern auch interkulturelle Kompetenzen und eine klare berufliche Orientierung mit – Fähigkeiten, die in einer globalisierten Wirtschaft immer wertvoller werden.

Ein Mann im Anzug mit Mikrofon und Anstecknadel spricht in einem formellen Rahmen.
Ahmad Al Gharaibeh, Leiter der staatlichen Berufsbildungsinstitution VTC
Länderflagge Jordanien

Steckbrief Jordanien

Hauptstadt
Amman
Gesamtbevölkerung
11,55 Mio.
HDI Rang
100
BIP pro Kopf
4,62 Tsd.€

Partnerland Jordanien

Jordanien ist ein Land mit rund elf Millionen Einwohner*innen, mehr als die Hälfte ist jünger als 30 Jahre. Es gilt als stabiler Anker im Nahen Osten und Deutschland unterhält seit über 70 Jahren enge Beziehungen zu dem Königreich. Viele Jordanier*innen sehen in Deutschland einen attraktiven Arbeitsort – wegen der hohen Standards in Handwerk und Industrie. „Deutschland ist bei uns beliebt. In unserer Kultur gilt ein Produkt mit dem Aufdruck ‚Made in Germany‘ als besonders wertvoll – und ebenso hoch angesehen sind deutsche Abschlüsse und Berufserfahrungen“, betont Ahmad Al Gharaibeh, Leiter von VTC.

Diese Wertschätzung bestätigt auch Mohammad Abu Zaid, der eine Ausbildung beim Kunststoffunternehmen Hadi-Plast in Ostwestfalen begonnen hat: „Ich freue mich, in Deutschland meine Ausbildung in der Kunststofftechnologie zu beginnen und am Ende ein Zertifikat in Händen zu halten, das weltweit hoch angesehen ist.“ Dafür hat er sich und seine Mitschüler*innen im Sprachunterricht gegenseitig motiviert. Jetzt freut er sich über seine Chance in Nordwestdeutschland. Was in Jordanien mit Sprachkursen und interkulturellem Training begann, setzt sich nun in deutschen Betrieben fort – als gelebte Partnerschaft, die Ausbildung und Zukunftsperspektiven miteinander verknüpft.

Ein junger Mann mit Brille schreibt konzentriert bei einer Gruppenarbeit, umgeben von anderen Teilnehmern.
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