21.04.2021

Per Segelschiff zur Arbeit

Mitten in der Pandemie trat Janina Marie Laurent ihre neue Stelle bei der GIZ auf den Marshallinseln an. Ihren neuen Arbeitsplatz erreichte sie über ungewöhnliche Wege.

Die Hamburgerin Janina Marie Laurent startete mitten in der Corona-Pandemie einen neuen Job – und der liegt mehr als 13.000 Kilometer Luftlinie von ihrer Heimatstadt entfernt. Um ihren Arbeitsplatz auf den Marshallinseln im Pazifik zu erreichen, bestieg sie einen Segelfrachter und damit sozusagen ein Arbeitsgerät: Laurent berät für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH die Regierung der Marshallinseln zu emissionsarmer Schifffahrt.

18 Tage lang hat Janina Marie Laurent nichts anderes als das Blau des Pazifiks gesehen. Mal mit Wellen, mal ohne. Mal mit viel Wind in den Segeln, mal in einer Flaute hängend. Von Hawaii aus startete die 32-Jährige auf dem Segelfrachter SV Kwai in Richtung Westen und nahm damit – nach komplizierter Planung und mehreren Coronatests – Kurs auf ihren neuen Arbeitsplatz. Die studierte Politikwissenschaftlerin und Geographin arbeitet seit Juli 2020 für die GIZ.

Das Projekt, in dem Laurent arbeitet berät im Auftrag des Bundesumweltministeriums (BMU) die Regierung der Republik der Marshallinseln dabei, Lösungen für emissionsarmen Schiffsverkehr zu entwickeln. Der Inselstaat, dessen Gebiet zu 99,9 Prozent aus Meer besteht, gilt als Vorreiter in Sachen Klimaschutz, wenn es um den Aspekt der Seefahrt geht: Als erster Staat schrieben die Marshallinseln im Pariser Klimaschutzabkommen für sich fest, den Kohlendioxidausstoß aus der nationalen Schifffahrt bis 2030 um 40 Prozent im Vergleich zu Emissionswerten von 2010 zu reduzieren, bis 2050 gar auf null zu bringen. „Wesentlicher Faktor ist dabei, die Emissionen der Schifffahrt zu reduzieren“, erklärt Laurent das Ziel des Projektes, für das sie arbeitet und das die GIZ seit 2017 unter anderem mit dem Verkehrsministerium der Marshallinseln und der Hochschule Emden/Leer umsetzt.

Segelschiff war auf dem Weg zum Probeeinsatz

Zwei Monate lang arbeitete Laurent zunächst von Hamburg aus für ihren neuen Arbeitgeber, bis sie die Möglichkeit bekam, trotz Corona – der Flugverkehr zu den Marshallinseln ist seit Beginn der Pandemie eingestellt – einzureisen. Und zwar auf einem Segelschiff, das für eine viermonatige Erprobungsphase als Fähre und Frachter zwischen den 33 Atollen eingesetzt werden sollte. Das Schiff, für das Projekt gechartert, stach von Honolulu, wo es im Hafen gelegen hatte, mit internationaler Besatzung in See. Als einzige Passagierin an Bord: Janina Marie Laurent. Die lernte während der fast dreiwöchigen Überfahrt nicht nur viel über Navigation und Technik, sondern ihr wurde noch bewusster, wie wichtig Klimaschutz ist und dass sie mit ihrer Arbeit derartige Projekte voranbringen kann.

„Die SV Kwai wurde nach der Ankunft auf den Marshallinseln für unser Projekt vier Monate lang testweise zwischen den Inseln eingesetzt. Dadurch werden je nach Windverhältnissen bis zu 80 Prozent weniger Kraftstoff verbraucht im Vergleich zu den herkömmlichen Schiffen, ein wichtiger Aspekt zur Einsparung der Emissionen aus dem Seeverkehr“, erklärt Laurent. Ein Test, der zeigt, dass auch scheinbar kleine Maßnahmen viel bringen – und der die Regierung der Marshallinseln überzeugte. Sie kaufte den Segelfrachter und ist nun das weltweit erste Land mit einem Segelfrachter in der nationalen Flotte. Die SV Kwai wird künftig zwischen den Inseln segeln und Menschen und Güter transportieren. Ein weiterer Segelfrachter wird im Rahmen des Projekts als Lehr- und Frachtschiff mit der Hochschule Emden-Leer und einem Hamburger Schiffsbau-Ingenieurbüro geplant und gebaut und soll anschließend ebenfalls zwischen den Atollen der Marshallinseln unterwegs sein.

Das ist nur ein Aspekt des Projekts. „Die GIZ organisiert etwa Workshops, bei denen Bootsbauer lernen, traditionelle kleine Boot herzustellen“, sagt Laurent. So könnten sich Familien künftig kleine Segelboote leisten, um damit – statt auf motorisierten Fähren – innerhalb der Atolle mobil zu sein. „Langfristige Effekte des Projektes sind, die Lebenssituationen der Einheimischen zu verbessern – im Gesundheitsbereich durch weniger Schadstoffausstoff, im wirtschaftlichen Sektor durch neue und mehr Arbeitsmöglichkeiten in der emissionsarmen Schifffahrt“, sagt Laurent. „Von den auf den Marshallinseln gemachten Erfahrungen werden auch andere Inselstaaten profitieren.“

Marshallinseln

Die Inselgruppe besteht aus mehr als 1.000 Inseln und liegt zwischen Hawaii und den Philippinen. Auf den Inseln leben mehr als 50.000 Menschen. Wichtigster Wirtschaftsbereich ist die Schifffahrt, rund 99,9 Prozent des Staatsgebietes sind Ozean. Der Staat liegt maximal zwei Meter über dem Meeresspiegel und ist dadurch vom Klimawandel mit steigendem Meeresspiegel, starkem Regen und heftigen Stürmen besonders gefährdet. Die Inselgruppe ist stark abhängig von eingeführten Gütern, die nationale Energieversorgung stammt zu mehr als 95 Prozent aus Importen.

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