16.06.2023
Gleichberechtigt statt ausgegrenzt
Ohne Fingerspitzengefühl und Vertrauen geht es nicht: Programmmanager Hans Bretschneider berichtet über den Einsatz für die Rechte von LGBTQI+ in Ruanda.
Obwohl Gesetze jegliche Diskriminierung verbieten, erleben sie im Alltag in Ruanda Ausgrenzung: Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, intergeschlechtliche und queere Menschen und weitere Geschlechtsidentitäten (LGBTQI+). Im Interview spricht Programmmanager Hans Bretschneider darüber, wie die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH zivilgesellschaftliche Organisationen dabei unterstützt, diese Gruppen zu stärken.
Herr Bretschneider, Sie verantworten ein Projekt, das die Rechte von LGBTQI+-Personen stärken soll. Wie gehen Sie die Aufgabe an?
Wir unterstützen Organisationen aus der ruandischen Zivilgesellschaft und Interessengruppen, die Minderheiten der LGBTQI+-Gemeinschaft repräsentieren. Aktuell kennen wir rund 40 solcher Gruppen. Mit Trainings helfen ihnen unsere Partnerorganisationen dabei, Zugang zu fundierten Dienstleistungen zu finden, wie etwa Gesundheits- oder Rechtsberatung für Betroffene. Die Organisationen und Interessengruppen erhalten außerdem Impulse, wie sie durch Fundraising mehr Mittel für ihre Arbeit einwerben können. Und wir stärken sie darin, sich öffentlich für ihre Interessen einzusetzen, zum Beispiel durch Diskussionsveranstaltungen und Radiosendungen.
Inwiefern ist diese Arbeit notwendig? Laut ruandischer Verfassung ist jegliche Form der Diskriminierung untersagt.
Es ist richtig – die Gesetzgebung hier ist nichtdiskriminierend. Ruanda hat zudem verschiedene Menschenrechtskonventionen unterzeichnet, die die rechtliche Gleichstellung untermauern. Der Alltag sieht aber für viele Betroffene anders aus. Kürzlich zeigte eine Studie, dass sie häufig Diskriminierung und Ablehnung erfahren. Zum Beispiel sehen sie sich dem Risiko ausgesetzt, ihren Job oder ihre Wohnung zu verlieren, wenn Informationen über ihr Privatleben nach außen dringen. Auch passiert es, dass LGBTQI+-Personen von ihren Familien verstoßen werden und alles verlieren. Mit unserer Arbeit wollen wir deshalb das Land darin unterstützen, den Zugang dieser Menschen zu ihren Rechten wirkungsvoller als bisher durchzusetzen.
Wie gelingt es, Toleranz zu stärken?
Letztlich weiß das niemand besser als die Betroffenen selbst. Sie dabei zu unterstützen, ist unser Job. Für die eine Gruppe bedeutet dies vielleicht, ihre Online-Rechtsberatung stärker auszubauen, für eine andere, mehr Vor-Ort-Anlaufstellen anzubieten oder die Sichtbarkeit in den Medien zu erhöhen. Insgesamt versuchen wir, mit Fingerspitzengefühl vorzugehen. Zum Beispiel haben wir gelernt, dass es manchmal wirksamer ist, auf Kampagnen in den sozialen Medien zu verzichten und stattdessen das direkte Gespräch zu suchen. Unsere Partnerorganisationen befinden sich im vertrauensvollen Dialog mit verschiedenen ruandischen Ministerien. Auf dieser Grundlage können sie zum Beispiel Trainings anbieten, um Sicherheitspersonal für Menschenrechte und das Thema LGBTQI+ zu sensibilisieren.
Was sind die Aussichten für LGBTQI+-Personen in Ruanda?
Durch die moderne Gesetzgebung und mit der Unterstützung von zahlreichen internationalen Gebern hat sich die Situation über die Jahre verbessert. Zugleich gibt es, unter anderem in manchen christlichen Kirchen, weiterhin stark konservative Strömungen. Es ist also ein gemischter Ausblick.
Hans Bretschneider hat einen Hintergrund in klinischer Psychologie und Hochschulforschung. Er arbeitet seit mehr als zehn Jahren mit Schwerpunkt auf der Friedensförderung und der Bewältigung der Folgen von Konflikten in verschiedenen Regionen Afrikas. Derzeit ist er Manager eines Programms der GIZ in Ruanda, das im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) den menschenrechtebasierten Ansatz in zivilgesellschaftlichen Organisationen fördert.