21.05.2024
„Diversität ist kein Nice to have”
Janina Fischer ist die Diversitätsbeauftragte der GIZ. Im Interview erläutert sie, warum Vielfalt sich auszahlt und wie sie in der GIZ zum Tragen kommt.
Seit 2021 treibt Janina Fischer das Thema Vielfalt in der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH voran. Sie ist Diversitätsbeauftragte der GIZ. Das Unternehmen hat sich der Charta der Vielfalt verschrieben. Damit fördert und berücksichtigt die GIZ alle Formen von Vielfalt bei ihren Mitarbeitenden: Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Religion, Behinderung und ethnische Herkunft. Im Interview berichtet Fischer von den Fortschritten - und darüber, was noch zu tun ist.
Warum stellt sich die GIZ als diverses Unternehmen auf?
Vielfalt im Unternehmen macht uns nachweislich erfolgreicher und innovativer. Sie ist kein „Nice to have“, sondern ein „Must-have“. So wissen wir aus Untersuchungen, dass sich die Hälfte des aktuellen Fachkräftemangels durch ein besseres Diversitätsmanagement im Personalbereich lösen lässt. Drei von vier Nachwuchskräften arbeiten lieber für ein Unternehmen, das erkennbar divers und inklusiv ist. Ohne Diversität entgehen uns also Talente, Innovationen und Möglichkeiten. Auch für jede*n einzeln*en Mitarbeiter*in ist Vielfalt eine Bereicherung, denn: Vielfältige Teams bieten unterschiedliche Perspektiven und Lebensentwürfe. Sie sind auch fast immer erfolgreicher - und wer möchte nicht Teil eines erfolgreichen Teams sein?
2019 hat die GIZ die Charta der Vielfalt unterzeichnet. Was hat sie seitdem geschafft?
Die Stelle der Diversitätsbeauftragten war der Startschuss für ein koordiniertes Diversitätsmanagement. Zu Gender und Inklusion gab es bereits viel Engagement. Inzwischen verfolgen wir einen intersektionalen Ansatz und denken Gleichstellung, Inklusion und Vielfalt gemeinsam. Wir nehmen dabei möglichst alle Menschen unternehmensweit mit. Wir laden zum Beispiel regelmäßig zu Veranstaltungen ein und schaffen Raum für Dialog. Zugleich haben wir eine Personal-Policy verabschiedet, in der wir das Grundverständnis der GIZ zu Diversität und Anti-Diskriminierung verankert haben. Unser Ziel ist es, eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der Diversität wahrgenommen und wertgeschätzt wird. Dafür setzen wir verschiedene Maßnahmen um.
Welche Maßnahmen sind das?
Zum Beispiel durchlaufen alle Führungskräfte ein verpflichtendes Diversitäts- und Antidiskriminierungstraining. Darin reflektieren sie ihre eigene Position und ihre Privilegien in der Gesellschaft. Sie lernen, unbewusste Vorurteile, so genannte „unconscious biases“, zu erkennen und zu reduzieren. Zugleich befassen sie sich mit den Folgen des Kolonialismus. So stärken wir unsere Führungskräfte für ein diverses Miteinander und zeigen ihnen, wie sie Vielfalt gestalten können. Auch im jährlichen Feedback der Teams an ihre Führungskräfte haben wir Diversitäts- und Gender-Aspekte verankert. Daran erkennen wir, wie die Führungskräfte Diversität tatsächlich fördern - und uns alle gemeinsam weiterentwickeln.
Bemerkt man schon eine Veränderung im Miteinander?
Ja, an vielen Stellen, allen voran in der Gesprächskultur. Noch vor wenigen Jahren gab es zu gewissen Themen kaum Dialog innerhalb des Unternehmens. 2022 luden wir die Aktivistin Tupoka Ogette zu einer Lesung aus einem ihrer Bücher über Antirassismus ein. Unser Arbeitsdirektor Thorsten Schäfer-Gümbel eröffnete die Veranstaltung. Das war ein wichtiges Zeichen. Heute sind Veranstaltungen zu Themen wie rassistischer Diskriminierung oder Postkolonialismus selbstverständlich. Immer mehr Mitarbeitende hören einander zu, diskutieren mit. Diese und andere wichtige Themen sind besprechbar geworden.
Welche Rolle spielen die Initiativen von Mitarbeitenden für so einen Haltungswandel?
Ihre Rolle kann gar nicht groß genug eingeschätzt werden. In Initiativen wie der Cultural Diversity Initiative, GIZ Postcolonial oder dem Rainbow Network engagieren sich viele Mitarbeitende ehrenamtlich dafür, dass sich das Unternehmen von innen heraus weiterentwickelt. Sie informieren, starten Debatten, bieten Peer-to-Peer-Unterstützung für die jeweiligen Personengruppen. Sie leisten einen immensen Beitrag für ein besseres Arbeitsumfeld für die rund 25.000 Mitarbeitenden der GIZ.
Trotzdem gibt es noch Baustellen, oder?
Unbedingt. Wir arbeiten weiter daran, unsere Strukturen und Prozesse noch inklusiver und diskriminierungsfreier zu gestalten. Das braucht seine Zeit. Das Diversitätsverständnis der GIZ in die Außenstruktur zu tragen, ist ein weiteres Thema. Oder Lösungen finden für Situationen, in denen sich Personen falsch behandelt fühlen, es sich jedoch nicht um einen Fall nach dem Anti-Diskriminierungsgesetz handelt. Wir haben dazu bereits unseren Beschwerdemechanismus „stop-it“; brauchen wir zusätzlich auch Streitschlichter*innen, Vermittler*innen? Klar ist: Diversität bedeutet lebenslanges Lernen. Wir bleiben dauerhaft dran.