02.11.2020

„Eine Technologie mit enormem Potenzial“

In Chile läuft die Energiewende auf Hochtouren. GIZ-Projektleiter Rainer Schröer berichtet im Interview über Erfolgsfaktoren und die Arbeit für grünen Wasserstoff.

Binnen weniger Jahre hat Chile sich zum Vorreiter beim Umstieg auf erneuerbare Energien entwickelt. 44 Prozent des verbrauchten elektrischen Stroms stammt bereits jetzt aus Wasserkraft und Sonne- und Windquellen, bis 2030 sollen es 70 und bis 2050 95 Prozent sein. Rainer Schröer, Leiter des Programms für erneuerbare Energien und Energieeffizienz bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH in Chile, erklärt im Interview, warum die Energiewende im Andenstaat eine Erfolgsgeschichte ist und wie das Land auch bei der Herstellung von grünem Wasserstoff zum Pionier werden kann.

Herr Schröer, warum funktioniert die Energiewende in Chile so gut?

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Tatsächlich wurden erneuerbare Energien bis vor 15 Jahren hier kaum beachtet, die Stromversorgung wurde durch Gasimporte aus Argentinien gesichert. Eine Versorgungskrise hat aber dann dafür gesorgt, dass Chile sich nach neuen Energiequellen umsehen musste. Im Auftrag des Bundesumweltministeriums (BMU) hat die GIZ eine detaillierte Studie durchgeführt, die das Potenzial von erneuerbaren Energien untersucht hat. Die Analyse ergab, dass mit Wind-, Wasser- und Solarenergie etwa das 75-Fache des Energiebedarfs für Strom erzeugt werden kann.  Das liegt an den optimalen Bedingungen: Die Atacama-Wüste im Norden besitzt die weltweit intensivste Sonneneinstrahlung und insbesondere die Südspitze des Landes bietet optimale Bedingungen für Windparks. Unsere Studie war eine wichtige Grundlage, um Netzbetreiber und andere Akteure zu überzeugen, in den Ausbau zu investieren. So hat Chile zwischen 2015 und 2018 prozentual den weltweit größten Ausbau erneuerbarer Energien im Stromsektor verzeichnet – und das ganz ohne staatliche Subventionen.

Auch in der Industrie wird saubere Energie immer wichtiger. Sie arbeiten auch zum Thema grüner Wasserstoff. Was kann man sich darunter vorstellen?

Grüner Wasserstoff wird in einem elektrochemischen Prozess mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt. Anschließend kann der grüne Wasserstoff, oder daraus aufbauende chemische Verbindungen etwa im Transportsektor oder in der chemischen Industrie eingesetzt werden. Dort wird bereits Wasserstoff verwendet, allerdings stammt er aus klimaschädlichen fossilen Quellen. Die Herstellung von grünem Wasserstoff ist dagegen klimaneutral. Sinnvoll ist die Produktion aber nur dort, wo durch erneuerbare Energien genügend Strom erzeugt werden kann, um die normale Stromversorgung klimaneutral zu gestalten und zusätzlich konfliktfrei auch noch grüner Wasserstoff erzeugt werden kann. In Chile ermöglichen das die enormen Potenziale von Sonne und Wind. Unseren Analysen zufolge könnten in Chile mindestens 94.000 Arbeitsplätze bis 2050 durch die Herstellung und Anwendung von grünem Wasserstoff und den darauf aufbauenden Verbindungen entstehen.

Und welche Rolle spielt die GIZ dabei?

Wir beschäftigen uns schon seit 2014 mit dem Potenzial von grünem Wasserstoff in Chile. Neben unseren öffentlichen Partnern haben wir uns insbesondere mit Unternehmen zu Einsatzmöglichkeiten der Technologie intensiv ausgetauscht. Aktuell unterstützen wir die chilenische Regierung bei der Erarbeitung einer nationalen Wasserstoffstrategie. Dabei stellen wir fest, dass das Interesse immer weiter wächst.  Im November findet zum dritten Mal eine internationale Wasserstoffkonferenz statt, die die GIZ gemeinsam mit dem chilenischen Energieministerium und der Wirtschaftsfördergemeinschaft (CORFO) organisiert. Erwartet werden mehr als 2.000 Teilnehmende darunter wichtige internationale Regierungsvertreter und zahlreiche große Unternehmen. Bei der ersten Konferenz vor drei Jahren hatten wir nur 120 Teilnehmende. Ein Zeichen für das gestiegene Interesse und enorme Potenzial der Technologie.

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