Sich als Bürger*in eine Meinung bilden zu können, die auf soliden Informationen basiert: Das ist die Voraussetzung für freie und faire Wahlen und damit für jede Demokratie. Die GIZ unterstützt ihre Partner dabei, Desinformation einzudämmen und gesellschaftlichen Zusammenhalt statt Hassrede zu fördern.
Junior ist besorgt. Seine Nachbarin schwärmt neuerdings von einem Getränk, das angeblich Krankheiten heilt. Online liest er viele Schlagzeilen, die das Getränk als Wundermittel bezeichnen. Er beschließt, nach vertrauenswürdigen Informationen zu suchen. Aber wie kann er diese von Falschinformationen unterscheiden?
Junior ist ein fiktiver Charakter des „Digital Enquirer Kit“ (deutsch: Digitale Entdecker*innen Bausatz), einem Onlinetraining, das sich an die Zivilgesellschaft, Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen richtet. Die Teilnehmer*innen folgen Junior in unterschiedlichen Situationen und lernen, wie sie sich selbst und ihre Informationen schützen, Falschinformationen erkennen und vertrauenswürdige Informationen überprüfen können. Das Onlinetraining hat die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Partnern aus elf Ländern entwickelt, darunter Kenia, Barbados und Sri Lanka. Die Idee dafür entstand im Rahmen eines Hackathons, der von der Europäischen Union und dem Bundesentwicklungsministerium (BMZ) kofinanziert wurde. Über 24.000 Menschen haben bereits an dem E-Learningkurs teilgenommen.
Juniors Geschichte ist nicht real, aber sie beschreibt eine Situation, wie sie ähnlich täglich vorkommt. „Desinformation, Online-Gewalt und Hassrede haben in den vergangenen Jahren enorm zugenommen“, sagt Peter Drahn. Er ist Experte für Menschenrechte bei der GIZ und hat das Digital Enquirer Kit mitentwickelt. „Sie bedrohen das Recht auf Meinungsfreiheit und Zugang zu Informationen und können Gesellschaften spalten oder das Funktionieren von Demokratien ernsthaft beeinträchtigen. Das haben wir beispielsweise während der COVID-19-Pandemie beobachtet oder sehen dies aktuell im Kontext der geopolitischen Spannungen.“
Geschichten des friedlichen Zusammenlebens erzählen
Obwohl Falschnachrichten vor allem in sozialen Netzwerken zu finden sind, sind sie kein rein digitales Phänomen. „Onlinehetze und Desinformation bleiben nicht im digitalen Raum, sondern haben für viele Menschen reale Auswirkungen“, erklärt Aaranya Rajasingam. Sie ist Teamleiterin in einem Projekt, das in Sri Lanka gegen Desinformationen, Hetze und die Spaltung der Gesellschaft vorgeht - kofinanziert von Europäischer Union und Auswärtigem Amt.
Besonders wichtig wurde das seit 2019 nach den sogenannten Oster-Anschlägen, bei denen islamistische Extremisten Bomben in mehreren Kirchen und Hotels in drei Distrikten im Land zündeten. Nach den Anschlägen waren die sozialen Medien voll von hassvollen Kommentaren gegen muslimische Gemeinschaften im Land. Dann kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Muslime in der Nordwestprovinz Sri Lankas.
In dieser Zeit startete die GIZ eine Kampagne in den betroffenen Distrikten. Gemeinsam mit mehr als 1500 Jugendlichen arbeitete sie daran, dem Hass online und offline etwas entgegenzusetzen. Die Jugendlichen drehten Reportagen über Menschen, die sich Diskriminierung entgegenstellten oder organisierten ein religionsübergreifendes Fastenbrechen, zu dem alle Mitglieder der Gemeinschaft eingeladen wurden – und streamten die Zusammenkunft ins Netz.
„Es war eine Herausforderung, an positiven Geschichten des Zusammenlebens zu arbeiten, während die sozialen Medienplattformen mit Hassreden überschwemmt wurden“, erinnert sich Aaranya. „Doch diese von Jugendlichen geführte Social-Media-Kampagne wurde zu einer Gegenbewegung zu den Gewalttaten.“ Mehr als acht Millionen Menschen sahen die Videos und Posts, die Geschichten von Gemeinschaft und einem friedlichen Zusammenleben erzählen.
Es beginnt in den Gemeinden
Auch das Digital Enquirer Kit findet in Sri Lanka Anwendung. Hashtag Generation, eine Partnerorganisation der GIZ, nutzt dessen Inhalte, um Jugendliche zu sogenannten Graswurzeljournalist*innen auszubilden. Die jungen Menschen lernen, sich mit Informationen, die online und offline in ihren Gemeinden verbreitet werden, kritisch auseinanderzusetzen und selbst aktiv zu werden. Sie recherchieren und berichten faktenbasiert zu Themen, die ihre Gemeinden aktuell bewegen.
Die Idee dahinter ist einfach: gewaltvollen Diskursen und Falschinformationen bereits in den Gemeinden entgegentreten – und nicht erst, wenn sie sich über das ganze Land verbreitet haben.
Stand: Mai 2024