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07.06.2021

Ein Spiegel der Entwicklungszusammenarbeit

Seit 1965 bereitet die Akademie für Internationale Zusammenarbeit und ihre Vorläufer Expert*innen auf ihren Auslandseinsatz vor, seit zehn Jahren unter dem Dach der GIZ. Inge Halene ist seit 20 Jahren dabei. Ein Gespräch übers Lernen – und die großen Zukunftstrends.

Frau Halene, die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH ist gerade 10 Jahre alt geworden – die Ausreisevorbereitung für Fachkräfte in der Entwicklungszusammenarbeit gibt es aber schon länger.

Viel länger! Die Anfänge reichen bis in die 1960er-Jahre zurück. Im Uhlhof, einer schönen alten Villa in Bad Honnef, entstand damals die Zentralstelle für Auslandskunde der Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung. 45 Jahre, zwei Fusionen und ein Umzug später wurde daraus die heutige Akademie für Internationale Zusammenarbeit, kurz: AIZ, der GIZ in Bonn-Röttgen. Heute sind wir der größte und erfahrenste Anbieter für Ausreisevorbereitung in der Entwicklungszusammenarbeit in ganz Deutschland. Mehr als 35 deutsche Entsendeorganisationen wie die politischen Stiftungen, das forumZFD und das Goethe-Institut schicken regelmäßig ihre Expert*innen zu uns, damit wir sie fit machen für ihren Auslandseinsatz.

Wie genau sieht die Auslandsvorbereitung denn aus?

Unser Ziel ist es, die Teilnehmer*innen optimal auf ihren Einsatz in Entwicklungs- und Schwellenländern vorzubereiten, damit sie vor Ort schnell handlungsfähig und in der Lage sind, ihren Job gut zu machen. Unser weltweites GIZ-Netzwerk und der Kontakt zu all den anderen Entsendeorganisationen ermöglicht es uns, das Angebot sehr genau auf den Bedarf der Ausreisenden zuzuschneiden. Sie können bei uns Kurse zu verschiedenen Themen besuchen, das reicht von Sprachunterricht über Seminare zur Verbesserung der Beratungskompetenz bis hin zu Sicherheitstrainings als Vorbereitung für den Einsatz in Krisengebieten. Bei den Sicherheitstrainings geht es zur Sache – sie finden auf einem ehemaligen Militärgelände statt, wir simulieren Überfälle, Checkpoints und vieles mehr. Derzeit haben wir insgesamt 23 Trainings zu unterschiedlichen Themen, die zwischen einem halben Tag und vier Wochen dauern.

Alles Präsenztrainings?

Bis vor kurzem waren es vor allem Präsenztrainings, denn die Vernetzung der Teilnehmer*innen untereinander spielt eine große Rolle. Wir bieten schon seit einiger Zeit Online-Trainings an – die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung rapide beschleunigt. Mittlerweile haben wir fast alle Angebote virtualisiert: 2019 haben wir sechszehn Trainings digital durchgeführt, 2020 waren es mehr als 800. Das hat sehr gut funktioniert. Nur Kurse wie das Diversitätstraining und die Sicherheitstrainings, bei denen es ums direkte Erleben und Ausprobieren von neuen Verhaltensweisen geht, sind online nicht machbar.

Warum ist die Vernetzung der Teilnehmer*innen so wichtig?

In unseren Kursen treffen sich Expert*innen aus mehr als 35 Organisationen der deutschen internationalen Zusammenarbeit, die dann später entweder im gleichen Land zu verschiedenen Themen arbeiten – oder in verschiedenen Ländern, aber zum gleichen Thema. Die Netzwerke und Freundschaften, die bei der Ausreisevorbereitung entstehen, halten oft jahrzehntelang. Das fördert die weltweite Zusammenarbeit und den Austausch der Organisationen untereinander.

Die Akademie als Lernort – wie hat sie sich selbst in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt?

Das ist in der Tat spannend. Da wir in den Kursen Fachkräfte von vielen verschiedenen Organisationen haben und das Kursprogramm ständig an neue Anforderungen anpassen, spiegeln sich bei uns im Kleinen die großen Trends der Entwicklungszusammenarbeit. Angefangen bei den Fusionen, die wir mitgemacht haben – erst zu InWEnt, später zur GIZ. Das zeigt eine klare Tendenz: Weg vom Klein-Klein und „jeder braut sein eigenes Süppchen“ hin zu vernetztem Denken und internationaler Zusammenarbeit aus einem Guss. Interessant war auch zu beobachten, wie sich die Entwicklungszusammenarbeit im Lauf der Jahrzehnte immer stärker professionalisiert hat. In den 80er- und 90er-Jahren saßen in unseren Kursen noch viel mehr Entwicklungshelfer*innen, die an der sogenannten Basis arbeiten.

Da gibt es ja das Klischee vom bärtigen Birkenstockträger, der in Afrika Brunnen baut...

Genau! (lacht) Das waren häufig Menschen, die in Deutschland einen Beruf erlernt hatten, zum Beispiel Ingenieure. Dann gingen sie für ein paar Jahre ins Ausland, gaben ihr Wissen weiter und kehrten danach wieder in ihren alten Job zurück. Die gibt es nach wie vor; und sie sind nach wie vor wertvoll. Sie sind heute aber in der Minderheit. Mittlerweile ist die internationale Zusammenarbeit ein spezialisierter Berufszweig mit eigenen Studiengängen. Unsere Teilnehmenden sind echte Expert*innen auf ihrem Gebiet – und natürlich immer noch mit Leidenschaft dabei.

Was konnten sie noch beobachten?

Früher gab es die weitverbreitete Haltung: Der überlegene Norden zeigt dem unterentwickelten Süden jetzt mal, wie es richtig geht. Diese Einstellung, die damals einfach normal war und kaum hinterfragt wurde, spiegelte sich auch in den Kursinhalten wider. Davon sind wir inzwischen zum Glück meilenweit entfernt. Heute vermitteln wir in unseren Trainings das Bild einer Partnerschaft auf Augenhöhe: Auch der Norden kann vom Süden lernen – und Süd-Süd-Kooperationen spielen eine immer größere Rolle. Es kann zum Beispiel sein, dass ein Experte aus Peru in einem Projekt in Mali berät, weil beide Länder vor ähnlichen Herausforderungen stehen und von den Lösungsansätzen des jeweils anderen profitieren können.
Zugleich steigen die Anforderungen an die Fachkräfte und es wird für alle Organisationen schwieriger, geeignete Expert*innen zu finden. Diese müssen dann möglichst schnell vor Ort tätig werden, so dass sich die Vorbereitungszeit seit einigen Jahren stetig verkürzt hat. Derzeit liegt die durchschnittliche Aufenthaltszeit von Fachkräften bei uns bei gut zwölf Tagen.

Wie macht sich die Weltpolitik in der Ausreisevorbereitung bemerkbar?

Was wir stark spüren: Das Thema Sicherheit überholt alle anderen, die Nachfrage nach unseren Sicherheitstrainings ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Das liegt natürlich daran, dass bewaffnete Konflikte überall auf der Welt zunehmen – und dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit verstärkt in fragilen Kontexten arbeitet und hier Schwerpunkte setzt. Darauf mussten wir uns als Akademie einstellen.

Wie sieht die Zukunft der Ausreisevorbereitung aus?

Ich glaube, dass die Digitalisierung viele Chancen fürs Lernen bietet. Sie ermöglicht es, Lernprozesse noch flexibler und individueller zu gestalten. Schon seit einigen Jahren kann eine Teilnehmerin einen Vorbereitungskurs bei uns besuchen – und sich dann während ihres Auslandseinsatzes von der Trainerin online coachen lassen. Durch unser digitales Angebot kann sie jetzt viel mehr Themen einsatzbegleitend und damit aus der eigenen Praxis heraus begreifen – ohne nach Deutschland zurückreisen zu müssen. Auch die digitale Vernetzung wird künftig sicher eine größere Rolle spielen. Auf unserer Online-Plattform treffen sich Teilnehmer*innen der Ausreisevorbereitung und tauschen sich aus. Wer geht wohin? Wer arbeitet zum gleichen Thema? Darauf finden sie Antworten – und haben die Chance, neue Kontakte zu knüpfen.

Zudem werden Angebote zum Umgang mit Diversität und Komplexität wieder stärker nachgefragt. Das liegt am weltweiten Phänomen der Schnelllebigkeit, bedingt durch Entwicklungen wie die Digitalisierung und Globalisierung, was ein hohes Maß an Flexibilität auch von ausreisenden Fachkräften erfordern. Auch der Fokus auf Konfliktregionen führt dazu, dass der klassische Einsatz vor Ort weniger wird. Stattdessen greifen flexiblere Modelle wie sogenannte „Zebraeinsätze“, bei denen Fachkräfte in zeitlich stark begrenzten Zeitabschnitten und dafür mehrmals im Jahr die Partner vor Ort unterstützen. Diesen Trends werden wir in unseren Angeboten zur Ausreisevorbereitung begegnen.

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