Aufnahmeregionen stärken

Der Tschad als Aufnahmeland: Neubeginn im Nachbarland

Kilmé Sina floh vor der Terrormiliz Boko Haram aus Kamerun in den Tschad. Nach Jahren der Angst und Unsicherheit baut sie sich und ihren Kindern mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH eine neue Existenz auf. Die Unterstützung für sie und andere Flüchtlinge erfolgt im Auftrag der Europäischen Union und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
 
Die Bilder gehen Kilmé Sina nicht mehr aus dem Kopf. Stockend erzählt die 36-Jährige, wie sie 2014 aus Kamerun in den Tschad floh. In dieser Zeit breitete sich die Terrormiliz Boko Haram im Nordosten Nigerias aus. Immer häufiger wurden auch Anschläge in den Nachbarländern Niger und Kamerun verübt, wo Sina damals als Händlerin von Haushaltswaren lebte. „Eines Nachts kamen Kämpfer von Boko Haram in unser Dorf. Ich habe sie nicht gesehen, aber gehört.“
 
Als die Terroristen begannen, die Dorfbewohner aus ihren Häusern zu zerren, nahm die Mutter ihre vier Kinder und lief mit ihnen los. „Ich wusste, wir müssen um unser Leben rennen.“ In der Dunkelheit flüchteten sie in Richtung Tschad und erreichten irgendwann einen Grenzfluss. „Ich habe meine Kinder in ein kleines Boot gesetzt und den Fluss überquert. Seitdem bin ich hier.“
 
Doch im Tschad angekommen, stand Sina erst mal vor dem Nichts. „Anfangs hat mein Vater geholfen und uns etwas Geld und Lebensmittel gebracht“, erinnert sie sich. Als Sina erfuhr, dass sie im Rahmen eines Projekts Saatgut erhalten konnte, war sie erleichtert. „Das war am 29. Juni 2017“, erzählt sie und lächelt verlegen. Das Datum wird sie nicht vergessen. Sie ist damit eine von bisher 1.200 Menschen, die von der Unterstützung der GIZ profitieren. Sina ist im Tschad geboren und hat dort Verwandte. Doch vor ihrer Flucht lebte sie fast 20 Jahre in Kamerun. Sie hatte dort Freunde, ein Netzwerk, ein Geschäft. Mit den Einnahmen konnte sie ihre Familie gut versorgen. In der Grenzstadt Mani, wo sie heute lebt, muss sie wieder von vorne anfangen: „Das ist besonders schwierig, weil ich geschieden bin. Egal, ob es um das Essen oder die Ausbildung für die Kinder geht – ich bin für alles verantwortlich.“ Sina erhielt eine kurze landwirtschaftliche Ausbildung. Für die 36-Jährige, die nie zuvor auf dem Feld gearbeitet hatte, waren das wichtige Informationen.
 
Sinas erste Ernte kann sich sehen lassen: Mais, Hirse und Okraschoten hat sie geerntet, einen Teil davon für die Versorgung der Familie behalten und den Rest verkauft. „Mit dem Geld konnte ich die Kinder wieder an einer Schule anmelden und Bücher und Hefte kaufen. Das ist für mich das Allerwichtigste.“ Dass die Kinder nun im Tschad den Unterricht besuchen, hat Sina in ihrer Entscheidung bestärkt: Sie will sich hier ein neues Leben aufbauen, als Farmerin. Die GIZ hat mit dem Projekt bisher 1.200 Farmer unterstützt, eine neue Lebensgrundlage für sich und die eigene Familie zu schaffen.
 
Protokoll: Katrin Gänsler
November 2017

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